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Wider die Meinungs- und Gesinnungsdiktatur

Mutig und feinsinnig skizziert Giuseppe Gracia, Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur sowie regelmäßiger Kolumnist der Schweizer Tageszeitung Blick, die zeitgenössischen Entwicklungen in Medien und Politik. Mit Das therapeutische Kalifat stellt sich der Autor kritisch gegen die Meinungskultur im Namen des Fortschritts. Das, was mancher vor Jahrzehnten ahnte, wird immer mehr zur Realität. Die Gesellschaft Westeuropas wird raffiniert einer Meinungslenkung unterzogen.

 

Zunächst problematisiert Gracia die Bedeutung des Begriffes Intoleranz, denn „was wir nicht tolerieren, kann als Verbrechen gelten“, daher ist die Frage zu stellen „wer in einer liberalen Gesellschaft die legitime Instanz sein soll, die den Begriff Intoleranz für alle verbindlich festlegt.“ (S. 8-9). Ihm zufolge sind es die politischen Eliten, die immer stärker vorgeben was der Bürger zu denken hat und sagen soll. So folgt er auch dem Ansatz des Philosophs Michael Rüegg, der unter einem therapeutischen Kalifat „eine neue Form der Herrschaft im Sinne einer gewissermaßen sanften Gesellschaftstherapie“ (S. 10) versteht. Dabei erfolgt die Behandlung von „einer politisch-kulturellen Elite, welche die christlichen Wurzeln des Abendlandes abschneidet und uns im Zuge der Globalisierung befreien möchte vom Hemmschuh veralteter religiöser, nationaler oder geschlechtlicher Identitäten“ (S. 10).

 

Wie genau die Patientenverordnung des therapeutischen Ansatzes aussieht, skizziert der Autor in den folgenden neun Kapiteln, die kurz, knapp und prägnant die Aspekte des öffentlichen Diskurses unserer Zeit beleuchten. Ihm zufolge agieren Politik und Medien dabei mit dem Anspruch einer moralischen Volkstherapie, die uns alle – ungeachtet unserer individuellen Meinung – zu einem friedlichen Zusammenleben erziehen sollen. So wird „in Zeiten der Volkserziehung dabei das massenmediale Interpretieren von Ereignissen zum Machtinstrument“ (S. 15). Treffend und auf den Punkt skizziert Gracia den immer enger werdenden Meinungskorridor. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, empfinden 83 Prozent der Deutschen eine Einschränkung ihrer Freiheit. Politische Korrektheit ist dabei „ein weiteres Merkmal der Volkstherapie, die „von oben“ kommt, also von Politikern, Experten oder tonangebenden Medienschaffenden“ (S. 17). So erleben wir eine „zunehmende intellektuelle Infantilisierung des öffentlichen Raumes“ (S. 24). Wer heutzutage nicht die Gleichwertigkeit der Kulturen, Zivilisationen und Religionen befürwortet, gilt als rückständig. Schlussendlich gilt somit „im heutigen Westeuropa ein ernsthaft religiöser Mensch als besonders therapiebedürftig“ (S. 27). 

 

Insgesamt ist Gracias mutige Analyse eine Horizonterweiterung, die nicht anprangert, sondern dazu ermutigt, dem Geist unserer Tage kritisch gegenüberzustehen und sich nicht blindlings den Patientenverordnungen der Elite hinzugeben. Giuseppe Gracia ermutigt Christen dazu, sich mutig zu den biblischen Grundsätzen zu bekennen, wenn biblische Wahrheiten in der heutigen Zeit verletzt werden. Der Prophet Hosea warnte schon das Volk Israel: „Mein Volk geht zugrunde aus Mangel an Erkenntnis“ (Hos. 4,6). Dieser Weckruf ist heute wie damals brandaktuell. Deshalb ermutigt der Verfasser zu einem „alternativen Lebensstil jenseits des Mainstreams“ (S. 40). Er befürwortet sich nicht dem Druck der Meinungsmache zu beugen, sondern sich der Debatte nach der Wahrheitsfrage zu stellen. Als Christ ist man heutzutage den Angriffen auf die wertkonservative Lebenshaltung ausgesetzt, doch gilt es nicht auf derselben Ebene – wie die Kritiker zu bleiben -, sondern seine persönlichen Glaubensüberzeugungen anhand von Gottes Wort ins Gespräch zu bringen. 


Das Buch:

  • Gracia, G. (2018): Das therapeutische Kalifat. Meinungsdiktatur im Namen des Fortschritts, Fontis-Verlag, Basel, Taschenbuch, 63 Seiten, ISBN: 978-3-03848-159-1, Preis: 7€

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