Die ersten 100 Jahre des Christentums

Wie hat sich das Christentum entwickelt und welche Rolle spielen dabei die ersten 100 Jahre? Udo Schnelle geht in „Die ersten 100 Jahre des Christentums“ der Entstehung der Weltreligion auf den Grund.

 

Wer ist der Autor?

Prof. Dr. theol. Udo Schnelle war bis 2017 o. Professor für Neues Testament an der theologischen Fakultät in Halle. Er ist u.a. bekannt als Verfasser mehrerer theologischer Einführungswerke, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden.

 

Worum geht es in dem Buch?

Das vorliegende Buch will in die komplexe Entstehungsgeschichte des Christentums einführen.“ Das werdende Christentum war relativ früh eine eigenständige Bewegung, die gleichermaßen über eine charismatische und eine intellektuelle Anziehungskraft verfügte.“  Dem Autor zufolge sind in den letzten zehn Jahren der Arbeit an diesem Buch drei Aspekte in den Vordergrund getreten:

 

  • Das frühe Christentum war von Anfang an eine vielgestaltige, plurale Bewegung.
  • Ereignis- und Ideengeschichte bildeten mit dem Beginn des frühen Christentums eine Einheit; Ereignisse riefen theologische Deutungsleistungen hervor und Ideen machten Geschichte.
  • Erstaunlich sind die hohe Literaturproduktion der neuen Bewegung und die damit verbundenen denkerischen und kulturellen Leistungen. Man schuf Literatur und bewegte sich in Literatur, so dass das frühe Christentum auch als ein Bildungsphänomen begriffen werden muss.

 

 

Als Leser wird man umfassend und tiefgründig in die ersten 100 Jahre der werdenden Weltreligionen mit hineingenommen. Nachdem Schnelle Geschichte als Gegenwarts- und Vergangenheitsdeutung thematisiert und eine begriffliche Abgrenzung vollführt hat, führt er Schritt für Schritt in den damaligen historischen Kontext ein. Über das Judentum, die werdende ntl. Gemeinde, die mit der Jerusalemer Gemeinde Konflikte debattierte über die verschiedenen Missionsaktivitäten, werden nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Entwicklungen (Konflikte, Apostelkonzil, Tempelzerstörung, Ausbleiben der Parusie, Christenverfolgung u.a.) in den Blick genommen.

 

Schnelle bietet dem Leser eine doppelte Perspektive. Einerseits stellt er eindrücklich dar, wie sich die Bewegung des Christentums zu den verschiedenen Trägern nach außen verhält, wie sie sich aus ihnen entwickelt hat und sich langsam von ihnen abgrenzt. Andererseits verschweigt der Verfasser auch nicht die zahlreichen innerchristlichen Probleme und Aufgaben, die sich im Laufe der Etablierung ergeben haben. Der Autor setzt somit zeit-, kultur-, ideen- und sozialgeschichtliche in ein produktives Verhältnis zueinander. Abgerundet wird die umfassende Darstellung mit 15 Punkten, weshalb das Christentum sich erfolgreich etablieren konnte.

 

Wer sollte das Buch lesen?

Das Buch wendet sich an Theologen, Theologiestudenten und interessierte Laien. Blickt man aus der Sicht eines Theologiestudenten auf das Werk, so kann es als Grundlage für neutestamentliche Studien, wie auch für kirchengeschichtliches und systematisch-theologisches Lernen dienen. 

 

Was gibt es Kritisches?

Schnelle ist Befürworter und Vertreter den Zweiquellentheorie und steht der historisch-kritischen-Methode weitaus weniger kritisch gegenüber, als es z. B. konservative Theologen tun. Evangelikale Leser müssen sich bewusst sein, dass die damaligen Quellen anders gedeutet werden, als sie dies aus ihrer Prägung und ihrem Bibelverständnis kennen. So wird. Z. B. die Autorenschaft des 2. Petrusbriefes nicht dem Jünger Jesu zwangsläufig zugeschrieben. „Gegen die Historizität dieser Verfasserangabe spricht besonders die fast vollständige Übernahme des Judasbriefes. Auch die in 2Petr 1,20f entwickelte Inspirationslehre und die Bearbeitung der Parusieverzögerung (2Petr 3,8) weisen in eine Zeit um 110 n.Chr.“ Ebenso sollte erwähnt sein, dass hier weniger aus einer „Perspektive des Glaubens“ als mehr aus einer „Analyse der Sachlage“ geschrieben wird, weshalb Schnelle auch auf theologische Aspekte weitestgehend verzichtet bzw. diese nur am Rande erwähnt. Ihm geht es um die Darstellung der historischen Gegebenheiten und weniger, deren theologischen Deutung. 

 

Weshalb sollte man das Buch lesen?

 

Zunächst einmal ist Schnelle ein umfassendes und grundlegendes Einführungswerk gelungen, das auf wesentliche Aspekte eingeht. Neben der historischen Breite ist es auch die theologische Debatte, die der Autor in seiner Darstellung aufzeigt. Dabei zeigt er einerseits die Grundprobleme historischen Fragens und Erkennens als auch die Spannbreite der theologischen Diskussion in der Deutung der Quellen auf. „Geschichte erweist sich somit immer als ein selektives System, mit dem die Interpretierenden nicht einfach Vergangenes, sondern vor allem ihre eigene Welt ordnen und deuten.“ Als Leser wird man alle erdenklichen Aspekte des Themas beim Lesen kennenlernen. Dabei ist Schnelles Allgemeinverständlichkeit zu loben, die sich in einer sehr guten Strukturierung niederschlägt und durch ein breites Literaturverzeichnis für weitere Forschungen Ansatzpunkte vermittelt. Definitiv ein Buch, das sich als Grundlagenwerk im Bereich der frühen Christenheit in jedem Regal gelesen wiederfinden sollte. 


Das Buch: 

  • Schnelle, U. (2019): Die ersten 100 Jahre des Christentums 30 bis 130 n. Chr. Die Entstehungsgeschichte einer Weltreligion (3. Aufl.), UTB Schöningh, 589 Seiten, ISBN: 978-3-8385-5229-3 Preis: 30,99 € 

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