GOTT

Jordan B. Peterson ist einer der kontroversesten Intellektuellen unserer Zeit. Der kanadische Psychologe bewegt sich an der Schnittstelle von Wissenschaft, Philosophie und Religion. Mit „GOTT. Das Ringen mit einem, der über allem steht“ wagt sich Peterson in eine Sphäre, die tief in die Grundlagen menschlicher Existenz eindringt.

 

Wer ist der Autor?

Petersons Karriere begann als klinischer Psychologe und Hochschulprofessor. Mit seiner kritischen Haltung gegenüber ideologischen Strömungen und seinem rhetorischen Talent erlangte er globale Bekanntheit. Seine intellektuelle Auseinandersetzung mit biblischen Texten ist nicht die eines Theologen, sondern eines Wissenschaftlers, der sich vom existenziellen Gehalt der Schrift inspirieren lässt.

 

Worum geht es?

Das Buch ist eine Reise durch biblische Texte, persönliche Reflexionen und kulturelle Narrative, wobei es mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Dabei hat sich Peterson bewusst für einen Aufbau entschieden, der psychologische, philosophische und kulturgeschichtliche Betrachtungen kombiniert. In neun Kapiteln interpretiert Peterson zentrale Erzählungen des Alten Testaments (Schöpfung, Sündenfall, Brudermord, Sintflut, Turmbau zu Babel, Abraham, Mose und Jona). Dabei greift er auf einen breiten Fundus an Referenzen zurück, von antiken Mythen bis zur modernen Popkultur. Das ist für den Leser einerseits interessant, hat aber von einem biblischen Standpunkt her geringen bis keinen Mehrwert.

 

Peterson nimmt die Bibel ernster, als man es von vielen modernen Theologen gewohnt ist. Dies zeigt sich u. a. im Umgang mit dem zentralen biblischen Begriff des „Opfers“, den er unbefangen aufgreift, ohne sich an theologischen Diskursen zu stören. Diese Unbefangenheit ist jedoch zugleich eine Schwäche: Er interpretiert Begriffe intuitiv und projektiert sie oft in die Texte hinein, statt sie aus diesen herauszulesen. So bleibt unklar, ob Peterson vom Gott der Bibel oder einem Privatgott spricht. Dasselbe zeigt sich auch bei der Beschreibung der Verbindung zwischen der Transformation eines Schmetterlings und dem Leben des Propheten Elia – eine Metapher für Veränderung und Wachstum.

 

Dieses intuitive Vorgehen, wodurch er Begriffe und Erzählungen eher subjektiv deutet, als sie aus ihrem biblischen Kontext heraus zu verstehen, ist eine der größten Schwächen des Buches. Besonders problematisch ist dies in seinem Vergleich des biblischen Schöpfungsmythos mit babylonischen Texten, wo er die klare Abgrenzung der biblischen Offenbarung von heidnischen Mythen übersieht.

 

Wer sollte es lesen?

Das Buch richtet sich an Leser mit einem hohen Maß an intellektueller Neugier. Christen werden Petersons ernsthaften Zugang zur Bibel schätzen, könnten jedoch seine unorthodoxen Deutungen kritisch hinterfragen. Leser ohne theologischen Hintergrund könnten von den tiefen, oft voraussetzungsreichen Ausführungen überwältigt werden.

 

Was gibt es Kritisches?

Ein zentraler Punkt in Petersons Buch ist die Frage nach der Wahrheit. Statt sich unumwunden zu einer objektiven Wahrheit zu bekennen, stellt er die Wirklichkeit der biblischen Geschichten durch ihre Folgen heraus. Dies führt zu einer irritierenden Unbestimmtheit: Ist alles, auch die Wirklichkeit, nur ein Narrativ? Diese Haltung verhindert zwar, dass Peterson in Relativismus verfällt, lässt aber eine klare Antwort auf die Wahrheitsfrage vermissen. Besonders augenfällig wird dies in seinem Versuch, den biblischen und den babylonischen Schöpfungsmythos als Ausdruck derselben denkerischen Bewegung zu interpretieren. Hier ignoriert Peterson grundlegende theologische Erkenntnisse, die die Abgrenzung des Alten Testaments von orientalischen Mythen betonen.

 

Schlussendlich vermeidet Peterson klare Aussagen zur objektiven Wahrheit. Stattdessen betont er die transformative Kraft biblischer Geschichten. Dies mag inspirierend wirken, lässt aber entscheidende christliche Fragen offen – etwa die Realität Gottes oder die Einzigartigkeit des Christusgeschehens. Seine Vergleiche zwischen biblischen und heidnischen Mythen ignorieren fundamentale Unterschiede, was theologisch unbefriedigend ist.

 

Zudem offenbart sich weiterhin, dass Peterson auf der Suche nach Christus ist und diesen bis heute noch nicht für sich im Glauben angenommen hat. Daher hat das Werk für Leser, die sich ebenfalls auf die Suche machen, wenig Mehrwert, denn die freimachende Botschaft des Evangeliums wird vergeblich gesucht. Daher wird dem Leser eher empfohlen, sich mit dem Buch Hiob intensiv auseinanderzusetzen, um das Ringen mit einem, der über allem steht, auch mit Antworten zu versehen.

 

Was bleibt?

Das opulente Werk regt an, liefert aber keine Klarheit. Zwar bietet Peterson dem Leser zahlreiche Denkanstöße, ohne jedoch abschließende Antworten zu geben. Es ist keine theologische Lektüre im klassischen Sinne, sondern ein persönliches Protokoll über seine Erfahrungen mit biblischen Texten. Die Geschichten regen ihn an, inspirieren ihn und bilden die Grundlage für seine Reflexionen. Besonders anregend sind seine Gedanken zu aktuellen Themen. So verbindet er etwa die Vergötzung der Technik im alten Babylon mit der modernen Verschmelzung von digitaler Technik und Pornografie. Solche Parallelen sind keine belastbare Exegese, sondern eher Provokationen, die den Leser zum Nachdenken bringen. Peterson ringt nicht nur mit Gott, sondern auch mit sich selbst – und lässt uns daran teilhaben. Dieses Ringen ist sein größter Verdienst und zugleich die größte Herausforderung für den Leser. 


Das Buch: 

  • Peterson, J. B. (2024): Gott. Das Ringen mit einem, der über allem steht, fontis Verlag, 656 Seiten, ISBN: 978-3-03848-294-9, Preis: 34,90 €

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