
Wenn einer weiß, wie komplex die Suche nach Wahrheit sein kann, dann Jens Foell. Der promovierte Neuropsychologe und Wissenschaftskommunikator nimmt seine Leser in Fakten sind auch nur Meinungen mit auf eine erkenntnisreiche Reise durch die Welt der Wissenschaft – und zeigt dabei auf unterhaltsame wie ernüchternde Weise: So eindeutig, wie wir es uns wünschen, sind Fakten selten.
Der Autor bringt nicht nur wissenschaftliches Know-how mit – er hat als Hirnforscher in Deutschland und den USA gearbeitet –, sondern versteht es auch, komplexe Inhalte verständlich und pointiert aufzubereiten. Dass er Teil des MAITHINK X-Teams (ZDFneo) ist und 2022 für den Grimme-Preis nominiert wurde, verwundert angesichts seines klaren Stils und seines feinen Humors nicht.
Schon der Titel des Buches irritiert angenehm und bringt das Grundproblem auf den Punkt: Was als Fakt erscheint, ist oft Ergebnis vieler Zwischenschritte – Beobachtungen, Hypothesen, Tests, Interpretationen –, die wiederum subjektiven Einflüssen unterliegen. Der Wissenschaftler illustriert das mit Beispielen aus Psychologie, Medizin, Physik und Chemie. Besonders spannend ist sein Blick auf die sogenannte „Beobachtung“ – denn schon hier beginnt das Ringen mit der Wirklichkeit. Welche Brille tragen wir, wenn wir hinsehen? Was nehmen wir wahr, und was übersehen wir vielleicht?
Dabei ist die Ausarbeitung kein Plädoyer für Beliebigkeit oder Relativismus. Im Gegenteil: Der Neuropsychologe macht deutlich, wie mühselig und zugleich wertvoll die wissenschaftliche Suche nach belastbaren Erkenntnissen ist. Fakten sind eben nicht einfach da – sie müssen gefunden, geprüft, abgesichert und kommuniziert werden. Und auf diesem Weg passieren Fehler, entstehen blinde Flecken, mischen sich Interessen ein.
Allerdings hätte der Schreiber seine 16 Punkte umfassende Anleitung noch anschaulicher gestalten können. Eine grafische Darstellung wäre hilfreich gewesen, um das Schema leichter nachvollziehen und eigenständig anwenden zu können. Zudem hätten gezielte Reflexionsaufgaben eingebaut werden können, um den Leser aktiv zur Entwicklung einer persönlichen Strategie im Umgang mit Faktenchecks anzuregen.
Am stärksten ist das Buch dort, wo der Autor die Wissenschaft als zutiefst menschlichen Prozess schildert – voller Zweifel, Rückschläge und notwendiger Korrekturen. Wer klare Antworten will, wird enttäuscht. Wer aber die Komplexität nicht scheut, wird belohnt mit einem tiefen Verständnis für die Funktionsweise moderner Wissenschaft – und einer neuen Sensibilität für das, was wir für „Wahrheit“ halten.
Gerade in aufgeheizten Debattenzeiten ist dieses Buch ein wohltuender Beitrag zur Versachlichung. Es fordert dazu auf, eigene Überzeugungen kritisch zu prüfen und anzuerkennen, dass auch scheinbar eindeutige Fakten oft eine Geschichte haben – und dass Meinungen, wenn sie gut begründet sind, ihren Platz in der Diskussion haben dürfen.
Fakten sind auch nur Meinungen ist ein kluges, sympathisch geschriebenes Buch für alle, die nicht blind dem nächsten Faktenchecker vertrauen wollen, sondern verstehen möchten, wie wissenschaftliches Wissen überhaupt entsteht – und warum es so oft schwer zu greifen ist. Dem Verfasser gelingt es, komplizierte Zusammenhänge greifbar zu machen und dabei gleichzeitig die Demut zu vermitteln, die echte Erkenntnis verlangt. Ein Muss für alle, die gerne denken. Und für alle, die lernen wollen, wie man besser denkt.
Das Buch:
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Foell, J. (2024): Fakten sind auch nur Meinungen. Wie wir wissenschaftlich zwischen Wahrheit und Wahrnehmung unterscheiden, Droemer, 224 Seiten, ISBN: 978-3-426-29390-4, Preis: 18,00 €
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