Weg Weichen

Wie findet man seinen Platz im Leben, wenn die entscheidenden Weichen längst gestellt wurden – von Schicksalsschlägen, anderen Menschen oder dem Zufall? In seinem einfühlsamen Roman Weg weichen begleitet Matthias Krieser zwei ganz unterschiedliche Menschen in Berlin, deren Lebenswege sich unerwartet kreuzen.

 

Wer ist der Autor?

Matthias Krieser bringt als Theologe und langjähriger Pastor viel Menschenkenntnis in seine Figurenzeichnung ein. Seine Erfahrung aus Gemeindearbeit und Missionstätigkeit spiegelt sich in seinem feinen Gespür für menschliche Brüche, Sehnsüchte und leise Hoffnungen. Dabei verzichtet er auf missionarischen Ton und gibt stattdessen Raum für das individuelle Ringen mit Schicksal, Schuld und Nähe.

 

Worum geht’s?

In Weg weichen begleitet der Leser fünf Tage im Leben zweier grundverschiedener Menschen in Berlin: Christian Pinchowski, ein arbeitsloser, introvertierter Mann mit einem Hang zu Zahlen und innerer Zerrissenheit, und Claudia Papenburg, eine einfühlsame Psychologin, die offen auf ihre Mitmenschen zugeht. Ihre Wege kreuzen sich inmitten einer bunt gezeichneten Großstadtkulisse, die von Vielfalt, Hektik und gleichzeitiger Vereinsamung geprägt ist.

 

Krieser gelingt es, den Alltag der Figuren eindrucksvoll einzufangen. Die Handlung ist unspektakulär – aber genau darin liegt ihre Stärke. Die Tiefe entfaltet sich im Inneren der Figuren, besonders bei Christian, dessen Nachdenken über eine lebensverändernde Kindheitserfahrung zum tragenden Motiv des Romans wird. In einer eindrücklichen Szene denkt er über eine Astgabel nach, die bei dem tödlichen Autounfall seiner Eltern in die Windschutzscheibe gerammt wurde – ein Bild, das für ihn zur Symbolik seines ganzen Lebens wird: zwei Wege, zwei Schicksale, ein unausweichliches Entwurzeltsein. Die Frage, welcher Weg der bessere war – der mit den leiblichen Eltern oder der mit den Pflegeeltern – stellt sich als stille Lebensbilanz und als tief existenzielle Suche nach Identität.

 

Wer sollte das Buch lesen?

Das Buch richtet sich an Leser, die literarische Alltagsgeschichten mit Tiefgang schätzen. Wer sich für psychologische Innenperspektiven, realistische Großstadtmilieus und das Nachdenken über Lebenswege interessiert, wird hier fündig. Es ist kein „schnelles Buch“, sondern ein ruhiger Roman, der nachhallt – besonders für Menschen, die sich mit Lebensumbrüchen und existentiellen Entscheidungen auseinandersetzen.

 

Was gibt es Kritisches?

Manche Nebenfiguren bleiben blass oder dienen nur als Kulisse für die inneren Entwicklungen der Hauptfiguren. Zudem ist der Erzählton streckenweise sehr nüchtern und könnte Leser abschrecken, die einen klaren Spannungsbogen oder dramatische Wendungen erwarten. Sprachlich ist der Roman solide, aber nicht besonders kunstvoll. Krieser setzt mehr auf stille Tiefe als auf literarische Brillanz.

 

Was bleibt?  

Was auf den ersten Blick wie eine Alltagsbegegnung wirkt, entpuppt sich als tiefgründige Erzählung über Verluste, Neuanfänge und die Frage, welcher Weg der richtige ist – oder ob es den überhaupt gibt. Weg Weichen ist ein fein beobachtetes, leises Buch über das, was das Leben prägt – Entscheidungen, Verluste, neue Anfänge. Matthias Krieser erzählt mit theologisch geschulter Menschenkenntnis, aber ohne fromme Überhöhung. Ein stiller, aber lohnender Beitrag. 

Das Buch: 

  • Krieser, M. (2025): Weg Weichen, Sola-Gratia-Verlag, 341 Seiten, ISBN: 978-3-948712-29-7, Preis: 12,00 €

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