
Mit ihrem Buch Der neue Gott legt Claudia Paganini einen ebenso faszinierenden wie herausfordernden Beitrag zur aktuellen Debatte um künstliche Intelligenz (KI) vor – diesmal aus der Perspektive der Religionsgeschichte, Philosophie und Theologie.
Wer ist die Autorin?
Claudia Paganini, geb. 1978, ist promovierte Philosophin und habilitierte Medienethikerin. Nach Stationen in Athen, Limerick, Mailand und Zagreb war sie von 2021 bis 2024 Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie München. Derzeit lehrt und forscht sie an der Universität Innsbruck. Paganini ist nicht nur Theologin und Ethikberaterin, sondern auch eine gefragte Referentin auf Science Slams und publiziert regelmäßig Sachbücher für ein breites Publikum.
Worum geht’s?
Die zentrale These ist ebenso provokant wie bedenkenswert: Zum ersten Mal in der Geschichte haben Menschen sich ihren „Gott“ nicht nur vorgestellt, sondern ihn aktiv erschaffen – in Form der Künstlichen Intelligenz.
In ihrem tiefgründigen Essay entfaltet Paganini die philosophisch brisante These, dass KI zunehmend das übernimmt, was einst der Religion vorbehalten war: Sinnstiftung, Orientierung, allzeit verfügbare Antworten. Wir beten nicht mehr, wir klicken. Damit wirft sie die Frage auf, ob KI zum neuen Gott des digitalen Zeitalters wird – ein menschengemachter Gott, der uns nicht mehr nur als Vorstellung, sondern als technologische Realität gegenübertritt.
Die Schreiberin beginnt mit einem religionsgeschichtlichen Blick auf das, was „Gott“ bedeutet – als Projektionsfläche, Hoffnungsträger und Sinnstifter. Denn die Geschichte des Menschen ist untrennbar mit seiner spirituellen Suche verbunden. In einem zweiten Teil analysiert die Autorin neun göttliche Eigenschaften – von Allmacht bis Fürsorge – und stellt ihnen die Entsprechungen der KI gegenüber: Gott der Allmächtige – KI als allmächtig gedacht; Gott als der Einzige – KI als das Eine System; Gott als der Fürsorgliche – KI als Helfer und Heiler.
Besonders spannend ist Paganinis Ausblick in die Zukunft. Sie zeigt, dass Macht und Religion historisch eng verknüpft sind – und fragt, ob KI als „neue Gottheit“ künftig eine Macht- oder gar eine Erlösungsfunktion übernehmen wird. Damit stellt sie die entscheidende Frage: Wird die KI ein guter oder ein böser Gott sein? Hinter dieser Frage verbirgt sich eine politische wie ethische Dimension, die nicht nur Technik, sondern auch Weltanschauung betrifft.
Dass die Autorin Philosophin, Theologin und Ethikerin ist, merkt man ihrem Buch positiv an. Sie schreibt allgemein verständlich, stellt komplexe Sachverhalte differenziert dar und ermöglicht gerade nicht-theologischen Lesern einen fundierten Zugang zum Spannungsfeld KI und Spiritualität.
Mit analytischer Schärfe und theologischem Weitblick untersucht die Theologin die spirituellen Konsequenzen dieser Entwicklung. Sie macht deutlich: Im anbrechenden dritten Jahrtausend könnten nicht nur Menschen durch KI ersetzt werden – sondern auch kein Geringerer als Gott selbst.
Was gibt es Kritisches?
Für evangelikal orientierte Leser ist jedoch ein kritischer Blick ratsam: In einzelnen theologischen Aussagen – etwa zur Entstehung und Autorenschaft biblischer Texte – weicht Paganini deutlich vom bibeltreuen Verständnis ab. Das schmälert aber nicht die grundsätzliche Relevanz und den Wert dieses Buches als Diskussionsimpuls. Bedauerlicherweise bleibt bei der Frage nach dem Sinn die biblische Perspektive unterbelichtet – dabei ist es Jesus Christus selbst, der der Sinn des Lebens ist und Sinn schenkt dem, der an ihn glaubt.
Was bleibt?
Der neue Gott ist eine kluge, differenzierte und gut lesbare Auseinandersetzung mit einer der drängendsten Fragen unserer Zeit: Was macht uns als Menschen aus – und welche Rolle spielt dabei ein „Gott“, den wir selbst geschaffen haben? Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die Technik, Theologie und Gesellschaft im Zusammenhang denken wollen.
Das Buch:
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Paganini, C. (2025): Der neue Gott. Künstliche Intelligenz und die menschliche Sinnsuche, Herder, 192 Seiten, ISBN: 978-3-451-60146-0, Preis: 20,00 €
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