
Was können wir von der ersten Christenheit lernen? In einer zunehmend säkularen und postchristlichen Gesellschaft ist diese Frage hochaktuell. Roland Werner geht ihr in seinem neuen Buch Faszination frühe Christen nach und zeigt, wie der Glaube, die Standhaftigkeit und die revolutionäre Kraft der ersten Kirche das Römische Reich veränderten – und uns heute inspirieren können.
Wer ist der Autor?
Dr. Roland Werner (1957) ist Sprachwissenschaftler und Theologe. Er ist Mitgründer des Christus-Treff Marburg (mit Ablegern in Berlin und Jerusalem), ehemaliger Vorsitzender von Christival und war Generalsekretär des CVJM Deutschland (2011–2015). Heute ist er Honorarprofessor an der Ev. Hochschule Tabor, Vorsitzender der Lausanner Bewegung in Deutschland sowie von proChrist. Werner engagiert sich zudem als Bibelübersetzer in Deutschland und Nordafrika und leitet das Zinzendorf-Institut in Marburg. Theologisch ist er evangelikal geprägt, mit starkem biblischen und missionsorientiertem Fokus. Er ist verheiratet mit der bekannten Autorin und Seelsorgerin Elke Werner.
Worum geht’s?
Das Buch öffnet dem Leser die Augen für die oft vergessene Kraft der ersten Christen. Es beleuchtet die Zeit vor der konstantinischen Wende (vor 313 n. Chr.), als die Christen eine verfolgte Minderheit in einer multireligiösen und ethisch entgrenzten Gesellschaft waren – eine Situation, die unserer heutigen zunehmend ähnelt. Der Autor strukturiert sein Buch in vier Hauptteile.
Fundamente: Einführung in die Quellenlage und die Herausforderungen der frühen Christenheit. Werner zeigt hier auf, dass uns nur etwa 10 bis 15 Prozent der antiken Texte erhalten sind, und erklärt, was wir aus den vorhandenen Quellen dennoch zuverlässig über die frühe Christenheit lernen können.
Faszination: Darstellung von acht Faktoren, die zur Strahlkraft der Christen beitrugen. Dazu gehören die kontra-kulturelle Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Christus, die Bereitschaft zum Martyrium (unter anderem am Beispiel von Perpetua und Felicitas), gelebte Diakonie, auch in Pandemien, Gewaltlosigkeit, klare Ehe- und Sexualethik, ethnische und soziale Inklusivität in den Gemeinden, gelebte Gemeinschaft sowie Zeichen und Wunder.
Fokuskapitel: Dieser Abschnitt hebt das Buch besonders hervor. Werner widmet sich gezielt einzelnen Themen oder Persönlichkeiten, die paradigmatisch für die Kraft und Faszination der frühen Christen stehen. Aus dem Gespräch geht hervor, dass folgende Aspekte hier vertieft behandelt werden:
- Märtyrerberichte und die geistliche Kraft hinter dem Martyrium, zum Beispiel Perpetua und Felicitas.
- Diakonisches Handeln, konkrete Fürsorge der Christen während Epidemien, Versorgung von Witwen (etwa 500 Witwen in Rom um 150 n. Chr., 2500 in Antiochien zu Zeiten von Johannes Chrysostomos).
- Ethik der Sexualität und der Ehe als radikale Gegenkultur gegenüber der römischen Doppelmoral (strikte Einehe, klare Absage an Prostitution und Konkubinenwesen).
- Frage nach Gewaltlosigkeit: klare Ablehnung von Gewalt in der frühen Kirche, intensive Auseinandersetzung mit der Frage, ob Christen Soldaten sein dürfen (klare Trennung in den ersten Jahrhunderten).
- Zusammenkommen von Ungleichen: neuartige, bewusst inklusive Gemeinschaften aus Juden und Nichtjuden, Sklaven und Freien, Männern und Frauen.
- Diakonie als integraler Bestandteil: Werner bezieht sich hier auch auf Apostelgeschichte 6, wo die tägliche Essensverteilung für Witwen ganz selbstverständlich berichtet wird.
Diese Fokuskapitel bieten konkrete Vertiefung und liefern dem Leser viel Material, um die gelebte Praxis der frühen Christen auf unsere Zeit zu übertragen.
Folgerungen für unsere Zeit: Werner formuliert hier sehr praxisnah, was heutige Christen aus der frühen Kirche lernen können. Dazu gehören echte Gemeinschaft statt Eventchristentum, offene Häuser und warme Herzen, bewusstes Überwinden von ethnischen und kulturellen Grenzen in der Gemeinde, radikale Feindesliebe und Gewaltlosigkeit sowie bewusste Diakonie als Ausweis des Evangeliums. Werner argumentiert dabei aus einer tiefen Liebe zur Kirche und in missionarischer Leidenschaft. Das Buch möchte ermutigen, nicht belehren.
Was gibt es Kritisches?
Das Buch ist theologisch fundiert und sehr zugänglich geschrieben. Werners Anliegen ist klar missionarisch und gemeindepraktisch. Einige Leser könnten sich an der insgesamt sehr positiven Darstellung der frühen Christenheit stoßen. Zwar erwähnt Werner auch Herausforderungen, bleibt aber im Ton bewusst ermutigend. In Details könnte die geschichtswissenschaftliche Diskussion gelegentlich differenzierter ausfallen. Doch dies ist kein wissenschaftliches Werk, sondern ein geistlich-praktisches Buch.
Wer sollte das Buch lesen?
Gemeindeleiter und Pastoren, die nach Wegen suchen, wie christliche Gemeinden heute glaubwürdig leben können. Hauskreisleiter und Kleingruppen, die sich von der frühen Christenheit inspirieren lassen wollen. Christen in säkularem Umfeld, die neue Kraft und Orientierung suchen. Junge Christen, die ihren Glauben ohne Anpassung an den Zeitgeist leben möchten. Leiter in missionarischen Bewegungen, die eine neue Kultur der Jesusnachfolge aufbauen wollen.
Was bleibt?
Faszination frühe Christen macht Mut. Die frühe Kirche wirkte nicht durch Macht, sondern durch gelebte Liebe, Gemeinschaft, Glaubwürdigkeit und Hoffnung. Dieses Erbe kann uns heute neu inspirieren, als authentische, diakonische und geistlich kraftvolle Gemeinde in einer postchristlichen Welt zu leben. Roland Werners Buch ist dafür ein ebenso inspirierender wie herausfordernder Begleiter.
Das Buch:
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Werner, R. (2025): Faszination frühe Christen und ihre Stahlkraft für unsere Zeit, fontis Verlag, 288 Seiten, ISBN: 978-3-03848-295-6, Preis: 19,90 €
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